Mitwachsende Herzklappe implaniert


DZHK-Studie GECT hat erstmals eine mitwachsende Herzklappe aus körpereigenem Gewebe eingesetzt.

Am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) wurde erstmals eine weltweit einzigartige Herzklappenprothese aus körpereigenem Gewebe implantiert. Anders als herkömmliche Klappen aus tierischem Material soll sie nahezu unbegrenzt haltbar sein und sich bei Kindern dem Körperwachstum anpassen – belastende Folgeeingriffe könnten so künftig entfallen. Die laufende DZHK-Studie (GECT-DZHK28) untersucht zunächst die Sicherheit der Methode bei sieben jungen Erwachsenen mit angeborenem Lungenklappendefekt. Bei Erfolg ist eine größere Folgestudie mit Erwachsenen und Kindern geplant.

Erkrankungen der Herzklappen gehören zu den häufigsten erworbenen und angeborenen Herzerkrankungen. Weltweit kommen jährlich etwa 160.000 Kinder mit einem Defekt der Pulmonalklappe zur Welt – dem Ventil zwischen der rechten Herzkammer und der Lungenarterie. In Deutschland sind es rund 800 Neugeborene pro Jahr.

Für den Ersatz dieser Klappe standen bisher Prothesen zur Verfügung, deren Segel aus tierischem Gewebe von Rindern oder Schweinen hergestellt werden. Diese Klappen sind allerdings nur begrenzt haltbar und müssen nach einigen Jahren ersetzt werden. Bei Kindern kommt ein entscheidender Nachteil hinzu: Die Ersatzklappen wachsen nicht mit und müssen etwa alle fünf bis zehn Jahre durch ein größeres Modell ersetzt werden. Jeder dieser Eingriffe am offenen Herzen bedeutet für die jungen Patient:innen eine erhebliche Belastung und längere Krankenhausaufenthalte.

Perspektive für Kinder mit Herzfehlern

PD Dr. med. Boris Schmitt, Kinderarzt am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC), forscht mit seinem Team bereits seit 2010 an einer Lösung dieser Probleme: „Der entscheidende Vorteil unserer Innovation liegt in der Verwendung körpereigenen Gewebes“, erklärt PD Dr. med. Boris Schmitt, Kinderarzt am Deutschen Herzzentrum der Charité. „Diese Klappen werden vom Immunsystem nicht als fremd erkannt. Sie werden zunächst vom Blutstrom mit Nährstoffen versorgt und im Laufe der Zeit bilden sich sogar Zellschichten aus. Die Segel der Herzklappe bleiben dadurch gleichsam lebendig, können sich regenerieren und an die Bedürfnisse des Körpers anpassen. Wir hoffen daher, dass diese Klappen deutlich länger halten können als die bisher zur Verfügung stehenden Modelle, im Idealfall ein Leben lang.“

Besonders vielversprechend ist die Anwendung der Technologie bei Kindern mit angeborenen Fehlbildungen der Herzklappe. Dafür wird ein spezieller Stent entwickelt, der sich nach einiger Zeit im Körper auflöst. Zurück bleibt dann nur noch die Herzklappe aus körpereigenem Gewebe, die durch das Drahtgerüst in ihrer Größe nicht mehr begrenzt wird. „So wollen wir die bestmögliche Voraussetzung für das von uns erhoffte Wachstum der Klappe bei Kindern und Jugendlichen schaffen“, erläutert Boris Schmitt.

Prof. Dr. med. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC, unter dessen Leitung das Projekt entwickelt wurde, betont: „Bei etwa 160.000 Kindern weltweit, die jährlich mit einem Lungenklappendefekt zur Welt kommen, könnte diese Technologie einen Paradigmenwechsel in der Behandlung vieler dieser Kinder bedeuten. Wir hoffen, dass wir mit dieser Methode die Anzahl notwendiger offener Herzoperationen signifikant senken können.“

Langlebig und schonend

Bei der Methode wird körpereigenes Gewebe aus dem Herzbeutel der Patientin bzw. des Patienten entnommen, daraus werden die Segel der neuen Herzklappe geformt und in einem Drahtgerüst (Stent) befestigt. Dieser wird dann komprimiert, über einen dünnen Katheter unter Röntgenkontrolle an die exakt richtige Position im Herzen gebracht und dort entfaltet. Der gesamte Eingriff dauert nur wenige Stunden und erfolgt ohne Operation am offenen Herzen.

Vom Forschungsprojekt zum Start-up

Nach jahrelanger Vorbereitung darf die neuartige Methode erstmals am Menschen erprobt werden. Die aktuelle GECT-DZHK28-Studie prüft die Sicherheit bei sieben jungen Erwachsenen mit Lungenklappendefekt. Eine größere Folgestudie mit Erwachsenen und Kindern ist geplant. Die Technologie wurde ins Berliner Start-up GrOwnValve (gegründet 2019) überführt, das 7,8 Millionen Euro Förderung für klinische Studien erhielt.

Erster Patient bereits wieder arbeitsfähig

Mittlerweile konnten bereits zwei Patienten erfolgreich behandelt werden. Marcus L. aus Sachsen, der erste Patient, wurde Anfang 1990 mit einer Klappenstenose geboren und erhielt 2001 eine sogenannte Ross-Operation, bei der unter anderem seine Pulmonalklappe durch eine Klappe aus tierischem Gewebe ersetzt wurde. 24 Jahre später muss diese erneut ersetzt werden. Als idealer Kandidat für das neuartige Verfahren wurde er von Dr. Schmitt und seinem Team über die innovative Behandlungsmöglichkeit informiert.

„Als dreifacher Familienvater und selbstständiger Maler und Bodenleger wollte ich so schnell wie möglich wieder einsatzfähig sein, deshalb habe ich mich sofort für dieses neue Verfahren entschieden“, erklärt Marcus L. Seine Rechnung ist bisher aufgegangen: Bereits fünf Tage nach dem Eingriff konnte er aus der Klinik entlassen werden und hat nach vier Wochen seine Arbeit wieder aufgenommen. „Ich fühle mich hervorragend“, berichtet der 34-Jährige.

Zukunftsperspektive der Technologie

Das Verfahren ist derzeit nur für den Ersatz der Pulmonalklappe, also des Ventils zwischen rechter Herzkammer und Lungenarterie, zugelassen. Künftig soll die Technologie nach ausführlichen Tests jedoch auch für andere Herzklappen wie die Aortenklappe eingesetzt werden können, die höheren Belastungen standhalten müssen.

 

Quelle: Deutsches Herzzentrum der Charité